Herzlich
willkommen zu Mara Laues Autorenschule!
In diesem Teil des Blogs findet ihr nach und nach einen vollständigen Grundkurs über die Kunst des kreativen Schreibens, anwendbar für alle Genres: Techniken, Tipps & Tricks vom Plotaufbau bis Spannungserzeugung, von Konfliktstruktur über Sprachstil und gute Dialoge bis zur Kunst, mit Worten Bilder in die Köpfe der Leser*innen zu malen sowie alles, was zum Schreiben einer guten Story, eines guten Romans gehört.
Mara Laue ist Berufsschriftstellerin mit über 50 veröffentlichen Büchern und mehr als 80 Heftromanen. Sie schreibt Krimis, Science Fiction, Fantasy/Urban Fantasy, Horror, Romance, Lyrik und Theaterstücke und blickt auf eine zehnjährige Erfahrung im Unterrichten von Schreibkursen zurück.
Wer
individuellen Unterricht von ihr wünscht, kann sich direkt an Mara Laue wenden.
Mara Laues Autorenschule Inhalt
1. Was ist eine
Geschichte?
2. Sprachstil
2.1 Das Passiv
2.2 Das Adjektiv
2.3 Der Nominalstil
2.4 Infodump
2.5
Vergleiche/Metaphern
2.6 Füllwörter
2.7 Klischees
2.8 Satzbau
2.9 Stilblüten
2.10 Die Zeitform
2.11 Sprache und
Genre
3. Show, don’t
tell!
3.1
Handlungsstruktur und Überleitung
3.2
Szenenüberleitung und -abschluss
3.3 Kausalität und
Reihenfolge
3.4 Stringenz
3.5 Wiederholungen
4. Der Plot
4.1 Handlungsaufbau
4.2 Plotpoints –
wichtige Wendepunkte
4.3 Plotskizze
4.4
Handlungsstringenz
4.5 Originalität
4.6 Die
unverzichtbare Logik
4.7 Ein guter Anfang
4.8 Der Konflikt
4.9 Das Ende
4.10 Die
„Heldenreise“
5. Spannung – ohne
sie geht es nicht
5.1 Methoden der
Spannungssteigerung
5.2 Die Spannung
halten
5.3 Das
retardierende Moment
6. Charaktere mit
Profil – Figurenentwicklung
6.1. Der Name
6.1.1 Figurennennung
im Text
6.2 Die Namensliste
6.3 Das Aussehen
6.4. Der Charakter
6.5
Charakterbeschreibung
6.6 Die
Ausdrucksweise
6.7 Motive
6.8 Glaubhafte
Reaktionen/Handlungen
6.9 Die
„Personalakte“
6.10 Der Protagonist
und sein Gegenspieler
6.11 Nebenfiguren
6.12 Broken Hero –
der „gebrochene Held“
7. Die Perspektive
Optische
Kennzeichnung von Perspektivwechseln
7.1. Auktoriale
Perspektive
7.2. Eingeschränkt
auktoriale/semi-auktoriale Perspektive
7.3. Personale,
wechselnde personale Perspektive
7.4 Schwebende
Perspektive
7.5 Ich-Perspektive
7.6 Du-Perspektive
7.7 Das Braiden
7.8 „Mauerschau“
und „Botenbericht“
7.9 Anrede und
Figurenbenennung
7.0 Was Sie
beachten müssen
7.11 Autorenwissen:
immer ein Perspektivbruch
8. Der Dialog
8.1 Sprecherhinweise
und Unterfütterungen
8.2 Männer reden
anders. Frauen auch.
8.3 Dialekte und
Fremdsprachler
8.4 Nonverbale
Dialoge
8.5 Innerer Monolog,
erlebte und indirekte Rede
9. Die Rückblende
10. Das Setting
10.1
Ortsbeschreibungen in der Regionalliteratur
10.2 Entwerfen
fremder Welten für Fantasy und Science Fiction
11. Titelwahl
12. Kurzgeschichten
schreiben
13. Recherche
13.1 Psychologie,
Verhalten, Plausibilität
13.2 Polizeiarbeit
13.3 Werkzeuge der
Recherche
13.4 Vom Umgang mit
fremdem geistigen Eigentum
14. Überarbeiten
Tipps fürs Kürzen
15. Das Exposé
16. Klappentexte
schreiben
2. SINN UND KERNPUNKT
3. HANDLUNG
4. PERSPEKTIVE
1. Was ist
eine Geschichte?
Na, das weiß doch jeder – oder? Eine Geschichte
ist das Erzählen eines wahren oder erfundenen Ereignisses oder einer
Reihe von Ereignissen. Punkt.
Im Prinzip stimmt das.
Doch wenn es sich um eine literarische Kurzgeschichte oder sogar
einen Roman handelt, ist die Sache nicht mehr ganz so einfach. Viele
(Jung)AutorInnen halten das „handlungslose“ Aufzählen von
Ereignissen für eine Geschichte, in der aber eben deshalb „nichts
passiert“ und die dem entsprechend auch keinen Sinn hat.
BEISPIEL:
Die Freundinnen machten einen Stadtbummel und
kauften Verschiedenes ein. Danach setzten sie sich in ein Café, aßen
Eis und unterhielten sich über Lisas Freund, der abends immer
häufiger spät nach Hause kam. Nora wurde nicht beachtet, obwohl sie
versuchte, sich am Gespräch zu beteiligen. Nora ging schließlich
weg und war sauer. Dann stellte sie fest, dass sie tot war und die
Freundinnen sie deshalb gar nicht hatten sehen können.
Das ist keine
Geschichte, sondern eine nüchterne Aufzählung von nacheinander
erfolgten Ereignissen. Diesem Text fehlten die vier grundlegenden
Kennzeichen einer literarischen Geschichte:
-
Jede Geschichte, ob lang oder kurz, hat einen Anfang (eine Einleitung), einen Mittelteil, mindestens einen Höhepunkt (bei Romanen sind es immer mehrere) und einen Schluss, der die Handlung sinnvoll auflöst.
-
Jede Geschichte hat einen Sinn, einen wichtigen Kernpunkt und eine Entwicklung der Hauptfigur, die ihrem Leben und/oder ihrer Einstellung/Ansicht eine neue, mehr oder weniger folgenschwere Richtung gibt. Sie beinhaltet immer einen Konflikt bzw. eine Aufgabe, die der Held lösen muss (auch wenn er am Ende damit scheitert) und/oder sie enthält eine Botschaft für den Leser. Die gilt besonders für Kurzgeschichten, die gerade auch in ihren Anfängen oft als subtiles Mittel für Gesellschafts- und Sozialkritik bzw. als allgemeine „Ratgeber“ fungierten.
-
Jede Geschichte lebt von HANDLUNG = jemand tut etwas oder erlebt/erleidet etwas, was für den Verlauf der Geschichte WICHTIG ist. Alle Handlungen sollten grundsätzlich für die Geschichte oder die Charakterisierung einer Figur wichtig sein, sie entwickeln und voranbringen, sonst sind sie überflüssig. (Solche überflüssigen Einschübe nennt man „Füllszenen/Füllkapitel“.) Eine Aufzählung von Tätigkeiten wie im Beispieltext oben ist keine Handlung. Jede Handlung in einer Story, einem Roman MUSS eine Relevanz und vor allem eine Konsequenz FÜR die Geschichte haben.
-
Jede Handlung wird durch die „Augen“ = aus der Perspektive einer Person oder verschiedener (wechselnder) Personen erzählt. (Die auktoriale Perspektive (mehr dazu in Lektion 8), bei der der Autor dem Leser wie ein neutraler Beobachter berichtet, was sich ereignet, ist für belletristische Geschichten nicht mehr zeitgemäß.)
Jeder Text, der diese
Kriterien nicht erfüllt, ist keine belletristische Geschichte.
Obendrein: Wenn eine ganze Story oder noch schlimmer ein Roman mit
mehreren Hundert Seiten auf die oben beschriebene Weise geschrieben
wird, liest kein Mensch den Text zu Ende, weil er todlangweilig ist.
Machen wir nach diesen
Kriterien aus dem o. g. Beispiel eine Geschichte.
Nora trottete
missmutig hinter Lisa, Meike und Inger her und versuchte, die vier
prall gefüllten Einkaufstüten so zu halten, dass sie ihr nicht
ständig im Weg waren und wahlweise gegen ihre Beine stießen, von
ihrer Schulter rutschten oder mit der Handtasche kollidierten. Ihre
Laune befand sich auf dem Nullpunkt. Der Ausflug in die Stadt hatte
ein wunderbarer „Mädelstag“ werden sollen, doch für Nora war er
zu einer Enttäuschung geworden.
Die Freundinnen
hatten sie während der ganzen Zeit nicht beachtet. Schon als sie –
zugegeben etwas verspätet – zum Treffpunkt gekommen war, hatte
keine sie begrüßt oder ihr einen Blick gegönnt. Man war einfach
kommentarlos losgezogen. Auch während der Shoppingtour durch etliche
Geschäfte hatten die Freundinnen sich prächtig amüsiert, aber so
getan, als wäre Nora Luft. Nun die Krönung: Sie hatten ein Café
ausgesucht, in dem sie den Bummel beschließen wollten, und Nora
nicht gefragt, ob sie mit der Wahl einverstanden war. Wollte man sie
dadurch für ihre Verspätung bestrafen? Aber das war doch
lächerlich!
„Du bist heute so
bedrückt, Lisa“, stellte Inger fest, nachdem sie sich an einen
Tisch gesetzt hatten und die Eiskarte studierten. „Stimmt was
nicht?“
Lisa seufzte. „Ich
weiß nicht. Jonas kommt immer häufiger spät nach Hause. Angeblich
Überstunden. Aber ...“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß
nicht.“
„Du denkst, dass
er fremdgeht?“, vermutete Meike.
„Nun mal
langsam“, wandte Nora ein. „Es gibt doch keinen Beweis dafür,
dass er keine Überstunden machen muss. Oder?“
Lisa nickte Meike
zu und ignorierte Noras Einwand; und Nora ebenfalls. „Das befürchte
ich auch. Vor allem, weil er immer so aggressiv reagiert, wenn ich
ihn darauf anspreche.“
„Das ist noch
kein Beweis“, wiederholte Nora.
„Ha!“ Inger
nickte und sah Lisa in die Augen. „So reagieren die Männer alle,
wenn man sie ertappt hat.“ Auch sie schenkte Nora keine Beachtung.
Nora hatte die
Schnauze voll. „Wisst ihr was? Ihr könnt mich mal!“, fauchte sie
die Freundinnen an. Sie nahm ihre Sachen und stiefelte wütend davon.
Wenn man mit ihr nichts mehr zu tun haben wollte – bitte sehr! Dann
eben nicht.
Nora ging zum
Parkplatz, wo sie ihren Wagen abgestellt hatte. Schon von Weitem sah
sie die Menschentraube, die Polizei und einen Rettungswagen. Offenbar
war dort ein Unfall passiert. Hoffentlich nicht bei ihrem Wagen,
sodass der möglicherweise blockiert wäre. Sie wollte schnellstens
nach Hause und ihre Enttäuschung über die schmerzhafte Missachtung
ihrer Freundinnen mit einem heißen Bad und einem Glas Wein kurieren.
Im Vorbeigehen warf
sie einen Blick auf den Platz, um den alle herumstanden. Eine dicke
Frau lag auf dem Boden. Seltsamerweise trug sie den gleichen
hellblauen Sommermantel wie Nora. Sie blieb stehen, obwohl Gaffen
nicht ihre Art war. Doch etwas drängte sie, sich die Frau am Boden
näher anzusehen. Sie hatte ebenfalls rote Haare wie Nora und trug
sogar die gleichen Sportschuhe und auch die gleiche Jeans und Bluse.
Was für ein Zufall!
Dann sah sie das
Gesicht der Frau. Ihr wurde schwindelig. Die Frau sah genauso aus wie
sie! Das konnte es doch nicht geben!
Jemand fasste sie
bei den Schultern und stützte sie. „Keine Angst. Alles ist, wie es
sein sollte.“
Sie sah auf und
erblickte das Gesicht eines jungen Mannes mit den gütigsten Augen,
die sie je gesehen hatte. Sanftes Leuchten umgab ihn.
„Deine
Freundinnen haben dich nicht ignoriert, Nora. Sie konnten dich nicht
sehen, weil du gestorben bist, bevor du zu ihnen gehen konntest.“
Er deutete auf die Leiche am Boden. „Du hattest einen Herzinfarkt.“
Ich träume!,
schoss es Nora durch den Kopf. Ich kann doch nicht tot sein! Ich bin
doch erst dreißig!
Aber die Leiche am
Boden war zweifellos ihre. Und sie wirkte wie eine fette Qualle.
Hatte ihr der Arzt nicht schon vor ein paar Jahren dringend dazu
geraten, sich gesünder zu ernähren und Sport zu treiben und sie
ermahnt, dass sie ein allzu frühes Ende nehmen könne, wenn sie
weiterhin ihren ungesunden Lebensstil betrieb? Oh, Scheiße! Warum
hatte sie nur nicht auf ihn gehört?
Der Mann nahm ihre
Hand. „Keine Angst“, wiederholte er. „Alles wird gut. Du
bekommst eine weitere Chance. In einiger Zeit wirst du wiedergeboren
werden. Aber nun müssen wir gehen.“
Noras Angst schwand
und machte Traurigkeit Platz. Sie hatte noch so viel vor gehabt in
ihrem Leben. Diesem Leben. Und sie hatte das alles aus Bequemlichkeit
vergeigt. Aber der Mann hatte versichert, dass sie eine neue Chance
bekäme, sobald sie wiedergeboren würde. Ein Lichtblick. Und ja,
dann würde sie es nicht wieder so weit kommen lassen. Sie ließ das
alte Leben los und folgte dem Engel.
ANALYSE
1. ANFANG, MITTE,
SCHLUSS
Bei jeder
Geschichte, egal ob Roman oder Kurzgeschichte, und auch zu Anfang
jeder Szene, jedes Kapitels ist es unerlässlich, dass sich der Leser
von Anfang an darin orientieren kann. Er muss, sofern das eine Rolle
spielt, wissen, WO die Geschichte stattfindet, WER anwesend ist, wie
die UMGEBUNG aussieht (falls für die Handlung relevant) und
WORUM es geht. Zu keiner Zeit dürfen im Leser Verständnisfragen
aufkommen. Jedes Stutzen, jede Irritation reißt ihn aus der
Geschichte heraus und tötet unter Umständen sogar die Spannung. Und
wenn der Leser mehrmals der Handlung nicht folgen kann, weil ihm
wichtige Informationen fehlen, liest er die Geschichte, den Roman
nicht zu Ende.
Der Anfang dieser
Geschichte enthält alle Informationen, die der Leser wissen muss, um
sich in ihr zurechtzufinden. Er erfährt, dass Nora mit ihren
Freundinnen (= WER) einen tollen Tag mit einem Einkaufsbummel
verbringen wollte, diese Erwartung aber enttäuscht wurde, weil die
Freundinnen Nora ignorieren. Er erfährt, dass die Frauen sich in der
Stadt befinden (= WO), vermutlich in der Einkaufsmeile und sich in
ein Café setzen. Damit ist alles Wichtige gesagt. Der Anfang nennt
außerdem den Konflikt: Noras Erwartungen von einem „wunderbaren
Mädelstag“ wurden enttäuscht und das Verhalten der Freundinnen
verletzt sie (= WORUM es geht).
Nun folgt der
Mittelteil. Die Frauen führen ein Gespräch, in dem es indirekt um
die Zukunft von Lisas Beziehung zu ihrem Freund geht, weshalb dieses
Gespräch zumindest für Lisa sehr wichtig ist. Aber obwohl Nora sich
daran beteiligen will, wird sie weiterhin ignoriert = noch mehr
verletzt. Der Konflikt spitzt sich dadurch zu und eskaliert, indem
Nora wütend die Freundinnen sitzen lässt. Eine mögliche Folge zu
diesem (!) Zeitpunkt der Geschichte könnte sein, dass damit
vielleicht Noras Freundschaft mit dem Trio zu Ende gegangen ist.
Darauf folgt der
Höhepunkt der Geschichte und gleichzeitig die Einleitung ihres
Schlusses: Nora entdeckt, dass sie offenbar schon vor dem Treffen mit
ihren Freundinnen auf dem Parkplatz gestorben ist. Die Freundinnen
haben sie nicht in böser Absicht ignoriert, sondern sie konnten sie
gar nicht sehen, weil sie ein Geist ist. Dadurch gewinnt deren
Verhalten ein ganz anderes Gewicht. Ihr Tod macht sie traurig, was
sie aber dadurch überwindet, dass der Engel ihr eine zweite Chance
in einem anderen Leben verspricht. Auflösung des Endes: Nora
akzeptiert ihren Tod und beschließt, die zweite Chance bestmöglich
zu nutzen.
2. SINN UND KERNPUNKT
Der Kernpunkt der
Geschichte ist einerseits, dass die Dinge nicht immer so sind, wie
sie zu sein scheinen. Nora hat geglaubt, die Freundinnen ignorieren
sie, um sie für ihre Verspätung zu bestrafen. Wäre Nora noch am
Leben und hätten die Freundinnen sie mit Missachtung gestraft, hätte
das zutreffen können. Doch dann stellt sich heraus, dass sie nicht
missachtet wurde, sondern gar nicht gesehen werden konnte, weil sie
für die Augen der Freundinnen tatsächlich nicht „da“ war. Somit
gibt es für deren Verhalten eine völlig einleuchtende Erklärung.
Ich sagte oben unter
Punkt 2, dass eine (gute) Geschichte eine Entwicklung der Hauptperson
beinhaltet, die ihrem künftigen Leben eine neue Richtung gibt. Die
ist hier in der Erkenntnis enthalten, dass Nora nur deshalb so jung
verstorben ist, weil sie ungesund gelebt hat. Da sie durch eine in
Aussicht gestellte Wiedergeburt ein „künftiges (weiteres) Leben“
bekommt, hat sie aus ihrem unzeitgemäßen Tod gelernt und wird die
Fehler, durch die sie gestorben ist, nicht noch einmal begehen.
Gleichzeitig enthält
dieser Schluss auch einen kleinen Wink an jene LeserInnen, die sich
in Nora und ihrem Lebensstil wiedererkannt haben, wohin die
Beibehaltung dessen führen kann. Ob die Leser diesen Schluss ziehen
(oder den Hinweis überhaupt erkennen) und ihn als „Mahnung zur
Umkehr“ betrachten oder die Geschichte einfach nur als
unterhaltsame Story mit einem unerwarteten Schluss betrachten, bleibt
ihnen überlassen.
3. HANDLUNG
Die gesamte
Geschichte lebt von dem, was die in ihr vorkommenden Personen tun:
Nora trottet hinter den Freundinnen her, schleppt ihre
Einkäufe, sitzt mit den Mädels im Café. Diese unterhalten
sich, fragen, antworten. Nora fühlt sich verletzt,
erkennt/begreift, dass sie tot ist usw. Jede dieser Handlungen
hat eine Funktion für die Geschichte. Zunächst als Erläuterung,
worum es in der Geschichte geht und wo sie spielt (siehe oben).
Danach als fortschreitende Entwicklung bis zu ihrem Ende. Der
Schluss, in dem der Engel Nora erklärt, was passiert ist,
gibt ihr einen Sinn und rundet sie ab.
4. PERSPEKTIVE
Die
gesamte Geschichte ist durch die „Augen“ von Nora geschildert,
als säßen wir in ihrem „Kopf“ und erleben alles, als wären wir
sie. Diese sogenannte „personale Perspektive“, das heißt, dass
der Leser die Handlung durch die „Augen“ einer handelnden (!)
Figur erlebt, ist ein wichtiges Merkmal moderner Belletristik.
(Mehr darüber in den späteren Kapiteln über gutes Beschreiben und
die Perspektive.) Dass der Autor passiv ÜBER die Personen berichtet
(das nennt man „auktoriale Perspektive“), ist heutzutage out.
Nebenbei: Falls ihr glaubt, der einleitende Beispieltext sei konstruiert und „kein Mensch“ würde je so etwas schreiben und das auch noch für eine Geschichte halten – Irrtum! Mehr als ein Teilnehmer in meinen Schreibkursen hat am Anfang des Kurses einen Text dieses Kalibers abgeliefert, weil er das Handwerk des kreativen Schreibens noch nicht beherrschte. Einer von ihnen protestierte einmal: „Aber so habe ich das beim Aufsatzschreiben in der Schule gelernt!“ Stimmt, ich auch. Allerdings hat eine belletristische Geschichte mit einem Schulaufsatz nichts gemein. Dies sind zwei völlig verschiedene Dinge.
Nebenbei: Falls ihr glaubt, der einleitende Beispieltext sei konstruiert und „kein Mensch“ würde je so etwas schreiben und das auch noch für eine Geschichte halten – Irrtum! Mehr als ein Teilnehmer in meinen Schreibkursen hat am Anfang des Kurses einen Text dieses Kalibers abgeliefert, weil er das Handwerk des kreativen Schreibens noch nicht beherrschte. Einer von ihnen protestierte einmal: „Aber so habe ich das beim Aufsatzschreiben in der Schule gelernt!“ Stimmt, ich auch. Allerdings hat eine belletristische Geschichte mit einem Schulaufsatz nichts gemein. Dies sind zwei völlig verschiedene Dinge.
Deshalb lautet mein
Rat an euch: Vergesst alles, was ihr in der Schule über das
Schreiben von Aufsätzen gelernt habt! Ihr wollt Geschichten
schreiben, Storys, Romane. Das ist etwas völlig anderes als
Aufsätze. Mehr dazu erfahrt ihr in den folgenden Kapiteln.
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